„Das ist ein Hautpilz! Da gehen wir mit einer Salbe
dran, und dann ist nach zwei, drei Wochen wieder Ruhe.“ So oder so ähnlich
lauteten Diagnose und Therapievorschlag meines Hausarztes, als ich ihm im
August 1993 eine sich merkwürdig anfühlende Veränderung meiner Kopfhaut
knapp oberhalb des Haaransatzes am
Hinterkopf zeigte. Die betroffene Hautstelle war offensichtlich mit einer
schorfartigen Schicht bedeckt und etwa fünf bis acht Millimeter im Durchmesser.
Aus der schnellen Heilung wurde leider nichts; der „Pilz“ erwies sich
als extrem therapieresistent.
Anfang 1994 kamen dann doch ernste Zweifel an der Diagnose
auf und ich bekam eine Überweisung zum Hautarzt nach Buxtehude. Ja, ja, mancher
mag jetzt schmunzeln oder gar ungläubig auf diesen Text schauen, aber die Stadt
Buxtehude existiert wirklich. Sie liegt ca. 30 km westlich von Hamburg, südlich
der Elbe, an der Grenze zum „alten Land“. Ich bin in unmittelbarer Nähe von
Buxtehude aufgewachsen, bin in Buxtehude zur Schule gegangen und sollte es
deshalb wissen.
Nun aber zurück zum Thema. Der Hautarzt hatte sofort die
richtige Vermutung, wollte aber ganz sicher gehen. Er schickte mich weiter in
die Uni-Klinik Eppendorf (Hamburg), wo nach verschiedenen Laboruntersuchungen
dann definitiv festgestellt wurde, dass der „Pilz“ tatsächlich eine Psoriasis
war. Mir selbst sagte das immer noch recht wenig. Ich hatte sogar noch die
Hoffnung, dass sich nun, da die Diagnose endlich wasserdicht war, schnell eine
Therapie finden lassen und die Heilung somit nahe sein müsse. Rückblickend muss
ich heute ganz klar bemängeln, dass sich damals kein Arzt die Zeit genommen
hat, mir als „Neu-Psoriatiker“ die ganze Tragweite dieser Diagnose zu erklären,
und mich so auf das was folgen würde vorzubereiten.
So habe ich dann mehr oder weniger nichtsahnend eine ganze
Reihe von Therapien über mich ergehen lassen: Psorcutan Salbe,
teerhaltige Salben und Shampoos, Kortison Salben und Lösungen, und was weiß ich
nicht noch alles. Eine ganz besonders appetitliche Geschichte war das
salicylhaltige Schweinefett. Die Psoriasis am Kopf hatte sich zwischenzeitlich
so verschlimmert, dass nahezu der ganze Kopf mit eine dicken Schuppenschicht
bedeckt war. Um diese abzulösen, sollte ich mir abends dieses ominöse Fett auf
die Kopfhaut auftragen und über Nacht einwirken lassen. Man kann sich das so
vorstellen, als würde man sich ganz herkömmliches Schweineschmalz vom Metzger
in die Haare schmieren. Das war im wörtlichen Sinn eine unglaubliche Sauerei,
die sich auch hartnäckig dem morgendlichen Auswaschen wiedersetzte. Im übrigen
ließen sich auch danach die Schuppen nur mit Hilfe eines Kammes gewaltsam
abschaben. Jedenfalls wurde mir langsam klar, dass ich von dieser Psoriasis
wohl doch länger etwas haben würde, und mit all diesen Salben und Lösungen
konnte ich der Sache einfach nicht so richtig Herr werden.
Die erste Therapie, die bei mir einen wirklich sichtbaren
Erfolg brachte, war PUVA. Allerdings gab es auch ein paar gravierende
Nachteile. Das unangenehmste dabei waren wohl die nicht so ganz harmlosen Meladinine
Tabletten, die zwei Stunden vor der Bestrahlung einzunehmen waren und ein
ziemlich flaues Gefühl in der Magengegend verursachen konnten, vor allem
morgens vor dem Frühstück. Die Bestrahlungstermine vereinbarte ich stets für morgens
um 7 Uhr. So konnte ich immer noch rechtzeitig zu den frühen Vorlesungen - ich
studierte damals an der TU Hamburg-Harburg - erscheinen.
In Buxtehude war es damals tatsächlich
möglich, morgens um 7 Uhr eine Arztpraxis zu betreten. Für einen
Münchner muss dies ziemlich unwirklich klingen, da man hier doch praktisch
Urlaub nehmen müsste, um einen Bestrahlungstermin wahrnehmen zu können. Mein
Wecker klingelte also täglich um 5 Uhr morgens. Im Halbschlaf habe ich dann die
stets neben dem Bett liegende Banane verdrückt, die Tabletten mit Wasser
heruntergespült und den Wecker eine Stunde weiter gestellt. Eine durchaus
positive Nebenwirkung war die dezente Bräune. „Heh Du, warst Du gerade im
Ski-Urlaub?“, fragte mich einmal ein Kommilitone.
„Nee, ich bekomme Sonnenbank auf Krankenschein.“ „Super! Was muss
ich haben oder tun, damit man mir das auch verschreibt?“
Anfang 1995 überbrachte mein Hautarzt mir dann die frohe
Botschaft, Fumaderm sei endlich in Deutschland für die Krankenkassen
zugelassen worden. Dieses Medikament habe er zuvor schon mit zahlreichen
Patienten, die bereit waren es selbst zu zahlen, erprobt. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen habe es stets hervorragend gewirkt. Bei mir war der Erfolg dann
leider nicht ganz so überzeugend. Die Erscheinungen gingen zwar teilweise
zurück, vor allem die Kopfhaut erholte sich deutlich, zur Erscheinungsfreiheit
hat das Medikament bei mir aber nicht geführt. Andererseits empfand ich diese
Form der Behandlung als vergleichsweise bequem. Auch die Nebenwirkungen, vor allem
die Hitzewallungen, waren bei mir schwach ausgeprägt und störten mich nicht.
Aus diesen Gründen entschied ich mich die Behandlung auch fortzuführen, als ich
im Sommer 1995 für ein Jahr an die University of Waterloo in Ontario/Kanada
ging. Während des Aufenthaltes dort war ich lange Zeit sogar nahezu ohne
Erscheinungen im Bereich der Haut. Hierzu hat sicherlich ganz wesentlich
beigetragen, dass ich die Zeit als unglaublich aufregend und schön empfunden
habe und somit einfach insgesamt zufriedener und entspannter war. Komisch ist
in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich ausgerechnet während dieser Zeit
erste Veränderungen an den Fingernägeln zeigten.
Zurück in Deutschland stellte ich mich wegen des
Nagelproblems wieder beim Hausarzt vor. Der diagnostizierte erneut einen Pilz;
ich habe es ihm geglaubt. Ich wusste damals immer noch zu wenig über die
Krankheit, um darin selbst die Ursache für dieses spezielle Problem zu
erkennen. Natürlich stellte sich auch dieser „Pilz“ als außerordentlich
therapieresistent heraus. Die Veränderungen haben sich dann sehr schnell auf
nahezu alle Zehen- und Fingernägel ausgedehnt. Bis heute habe ich keine
wirksame Behandlungsform gefunden.
Kurz nachdem ich mit der Diplomarbeit begonnen hatte, zeigten
sich erneut massive Hauterscheinungen. Mittlerweile hatte sich am Buxtehuder
Krankenhaus ein neues dermatologisches Zentrum angesiedelt. Dort machte ich
u.a. eine Cignolin Minutentherapie, was bedeutet, dass ich täglich morgens dort
erschien, mich von einer sehr netten und humorvollen Krankenschwester
einschmieren ließ, eine Ewigkeit mit einer Zeitung in der Hand im
Behandlungsraum stand und mich schließlich wieder abduschte. Nach ca. sechs
Wochen war ich praktisch wieder erscheinungsfrei. Der Aufwand war allerdings
enorm und ist für berufstätige Menschen wohl nur im Rahmen einer stationären
Behandlung akzeptabel.
Nach meinem Umzug nach München im Sommer 1997
beschränkte ich mich zunächst auf Bestrahlungen und geringe Mengen Kortison. In
letzter Zeit habe ich dann Psorcutan neu entdeckt. Mir war nach Gesprächen mit
erfahreneren Psoriatikern bei den Treffen der PSM klar geworden, dass
ich damals, als ich das Präparat zuerst anwendete, nicht diszipliniert genug
und viel zu ungeduldig war. Ich habe es also erneut versucht und war von dem
Erfolg angenehm überrascht. Seit geraumer Zeit kann ich es mir nun nicht mehr
erlauben morgens zwischen 8:30 Uhr und 9 Uhr zur Bestrahlung und erst danach
zur Arbeit zu gehen. Allein mit Psorcutan, Kortison und überwiegend
harnstoffhaltigen Pflegeprodukten schaffe ich es zwar nie zur Erscheinungsfreiheit,
aber ich kann mit dem Zustand einigermaßen leben. Nur wenn ich auf Menschen
treffe wie den „netten“ Herrn, der mich im Müllerschen Volksbad vorwurfsvoll
fragte „Sagen Sie mal, finden Sie es eigentlich richtig mit einem solchen Ekzem
in ein öffentliches Bad zu gehen?“ dann macht mir das alles doch ernsthaft zu
schaffen...